Die SenseBox: vom Schülerlabor zum Start-up

Open Innovation
05.04.2019
Erstellt von Volker Bombien

Eine der Erfolgsgeschichten der vergangenen Jahre für moderne und bürgernahe Wissenschaftsarbeit ist die senseBox. Das Projekt ist außerdem ein schönes Beispiel dafür, wie das BMBF innovative Projekte zum richtigen Zeitpunkt erfolgreich fördert und begleitet.

Gruppenbild mit 5 Männern
Ein Teil des senseBox-Teams auf der didacta 2019. Bild: Patrick Pleiss/senseBox

Das SenseBox-Projekt startete als Experimentier-Set für ein Schülerlabor im Jahr 2006 am Institut für Geoinformatik in Münster. Zunächst erhielt das Projekt eine finanzielle Unterstützung durch die Sparkasse Münster, um Schülerinnen und Schülern einen Sensorkoffer zu didaktischen Zwecken zur Verfügung stellen zu können. Kontinuierlich wurde der Koffer dann zur SenseBox in der heute bekannten Konzeption weiterentwickelt. Durch die finanzielle Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in den Folgejahren wuchs das Projekt zu einem bedeutsamen Citizen-Science-Projekt heran und stellt heute eines der wichtigsten Sensor-Netzwerke in Europa dar. Mit der Ausgründung der Reedu GmbH & Co. aus dem SenseBox-Projekt im März 2018, ist der Weg nun frei für die kommerzielle Verwertung der wissenschaftlichen Ergebnisse.

Es ist der Stetigkeit und Beharrlichkeit des Projektinitiators und -leiters Thomas Bartoschek zu verdanken, dass sich das Projekt kontinuierlich von einem universitätsinternen Schüler- und Forschungslabor zu einem bundesweit beachteten Bildungsprojekt entwickelte. Im Jahr 2013 stießen drei weitere Geoinformatikstudenten dazu: Jan Wirwahn, Sergey Mukhametov und Mario Pesch. Gemeinsam mit Thomas Bartoschek erweiterten sie die inhaltliche Ausrichtung des Projekts. Sie einte der Wunsch nach einer spannenden, schülergerechten Umsetzung und sinnvollen Anwendung ihrer Studieninhalte in Schulen. Ihre Idee: Stell‘ Schülerinnen und Schülern eine Sammlung von einfachen Sensoren zur Verfügung, mit denen sie Daten wie z. B. Temperatur oder Feinstaubbelastung in ihrer Umgebung bestimmen können. Denn wer seine Umwelt versteht, kann sie selbst planerisch gestalten. Die SenseBox als eine Sammlung von Sensoren in einem kompakten Koffer war geboren.

Zur rechten Zeit: Arduino und Scratch

Aber auch der Zeitfaktor spielt bei der SenseBox-Geschichte eine wichtige Rolle. Als das Schülerlabor 2006 entstand, erblickte in Italien gerade das Arduino-Board das Licht der Welt. Dieser kleine, preiswerte Mikrocontroller mauserte sich innerhalb weniger Jahre zu einer wichtigen Hardware- und Software-Plattform für Elektronikbastler. Die Programmierung des Mikrocontrollers war nicht so extrem schwierig; im Zweifelsfall tat es auch aus dem Internet heruntergeladener und angepasster Code. Hardware-Hersteller reagierten bald auf diesen Trend und entwickelten nun auch preiswerte Sensoren, die an die Arduino-Plattform anflanschen konnten. Plötzlich war es möglich, mit geringen Programmierkenntnissen Sensoren durch den Arduino-Mikrocontroller zu steuern und daraus Daten zu erheben.

Und noch eine wichtige Entwicklung fiel ebenfalls in diesen Zeitraum: 2007 wurde am Massachusetts Institute of Technology die Programmiersprache Scratch entwickelt. Diese Programmiersprache erstellt Code durch das richtige Zusammensetzen von Puzzlestücken in einem Browser-Fenster, wobei die Puzzlestücke nur ineinander passen, wenn sie im richtigen Zusammenhang verwendet werden. Das Programmieren ist dadurch intuitiver, fehlerärmer und leichter für Kinder zu erlernen. Die senseBox-Steuereinheit wird heute mit einer Scratch-ähnlichen Sprache gesteuert, die man bequem von einem Browser aus programmiert.

Wie kam es zur Förderung durch das BMBF?

2014 präsentierten Mario Pesch und Björn Guntermann dann das SenseBox-Projekt auf einem Photonik BarCamp im FabLab Berlin, das im Rahmen der Make Light-Initiative des BMBF stattfand. Ziel der Camps war es, neue Ideen und Partner für die Photonik zu gewinnen. Für die Teilnehmenden war das Treffen mit Gleichgesinnten eine wahre Inspiration. So sammelte das senseBox-Team wichtige Impulse, um Ihren Sensoren-Koffer weiterzuentwickeln. Außerdem entstand das erste Workshop-Konzept für Schulen.

Im gleichen Jahr belegte die SenseBox den 3. Platz beim Make Light-Wettbewerb. Unter dem Motto „Light(x)ing DIY“ waren zehn Projekte aus der Maker-Community zu dem vom Ministerium ausgerufenen Wettbewerb angetreten und von der Community-Jury bewertet worden. Das brachte dem Projekt wichtige Reputation in Schulen und in der Maker-Bewegung. Damals hatte das SenseBox-Team nur eine vage Ahnung, dass das erst der Anfang sein könnte: „Wir freuen uns sehr über den 3. Platz […]. Wir hoffen, dass unser Projekt so noch bekannter wird und mehr Menschen sich eine SenseBox basteln und etwas zur Wissenschaft beitragen werden“, so Bartoschek nach der Prämierung.

Kiste mit Sinn für Schule und Heimgebrauch

Mittlerweile gibt es die SenseBox in zwei Varianten: die Home-Edition senseBox:home spricht den umweltbewussten Bürger an, der zu Hause eine Umweltmessstation (UV-Strahlung, Temperatur, Feinstaub, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck und so weiter) aufbauen und etablieren will. Die SenseBox:home versteht sich somit als ein Citizen Science Toolkit. Erhobene Daten können gespeichert und ins Internet geleitet werden, um sie mit anderen lokal erhobenen Daten zu verbinden. Möglich wird dies durch die openSenseMap, die das senseBox-Projekt seit 2015 ergänzt. Die openSenseMap kann erhobene SenseBox-Daten in einer Internet-Karte darstellen. Dadurch ist deutschlandweit ein flächendeckendes Sensornetzwerk mit stets aktuellen Umweltdaten entstanden. Das Sensornetzwerk auf openSenseMap wächst täglich und macht längst nicht mehr an den deutschen Außengrenzen halt. Bis heute gibt es 3658 Messstationen in über 28 Ländern. Die Home-Edition gibt’s bereits für unter 100 Euro, Programmierkenntnisse werden nicht vorausgesetzt.

Die große Variante der SenseBox nennt sich senseBox:edu und enthält eine deutlich umfangreichere Sensorensammlung, der Preis liegt bei unter 250 Euro. Mit der edu-Box werden in erster Linie Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen angesprochen, die eine feste Umweltmessstation haben möchten und einen reizvollen Anreiz zum Erlernen von Programmierkenntnissen schaffen möchten. Mittlerweile wurden bereits über 1.000 home- und über 1.000 edu-Boxen der senseBox verkauft.

Die wissenschaftliche Reputation der SenseBox geht weit über die Geowissenschaften hinaus. Auch und gerade in der Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrer ist das SenseBox-Projekt mittlerweile bundesweit eine feste Institution. Auf vielen Fachmessen trifft man es als gelungenes Wissenschaftsprojekt mit konkreter Umsetzungsebene an. 2017 erhielt die senseBox einen Sonderpreis für digitales Lehren und Lernen beim CeBIT Innovation Award. Von der diesjährigen LEARNTEC, Europas größter Veranstaltung zur digitalen Bildung, brachten die Münsteraner gleich drei Preise mit nach Hause.

Und die Zukunft?

Thomas Bartoscheks Durchhaltevermögen, der zusätzliche Input von engagierten Studenten und die Entwicklung der Arduino-Plattform sowie der Programmiersprache Scratch im Entstehungszeitraum waren also die Faktoren, die dazu beitrugen, dass die SenseBox zum viel beachteten Projekt wurde. Auf dieser Basis konnte sich das SenseBox-Team auch für die Förderung durch das Bundesforschungsministerium profilieren: Seit April 2016 wird das Projekt im Rahmen der BMBF-Initiative „Open Photonik“ unterstützt. Mittlerweile existiert parallel zum SenseBox-Forschungsprojekt an der Uni Münster die Reedu GmbH & Co. KG. Das Unternehmen wurde im März 2018 von ehemaligen Studierenden und Mitarbeitern der Uni Münster gegründet, um die SenseBox-Projektergebnisse auch kommerziell verwerten zu können und weitere Lösungen für die digitale Bildung anzugehen.

senseBox auf der Messe LASER World of PHOTONICS

Wer mehr über die senseBox erfahren möchte, hat in der Sonderschau „Open Innovation“ (Halle B2, Stand 431) auf der LASER World of PHOTONICS dazu Gelegenheit. Die Messe findet vom 24. bis 27. Juni 2019 in München statt.

Weitere Informationen

Kurzvorstellung des BMBF-Förderprojekts senseBox

Website der SenseBox

Website des Start-ups re:edu

BMBF-Fördermaßnahme "Open Photonik"

Erklärvideo der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Uni Leipzig zur SenseBox

Rückblick: Photonik BarCamp im FabLab Berlin, Juni 2014

Gewinner des Make Light-Wettbewerbs 2014

 

Bild: Volker Bombien
Hier entstand die senseBox, am Institut für Geoinformatik an der Uni Münster. Bild: Volker Bombien
Bild: Mario Pesch/senseBox
Der optimale Standort für die senseBox:home natürlich ist unter freiem Himmel, entweder auf dem heimischen Balkon oder an der Häuserwand. Bild: Mario Pesch/senseBox
Plastikkoffer mit Technik
Die senseBox:edu ist für den Einsatz in Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen gedacht. Bild: senseBox
Mann vor Screen mit Landkarte
Die Karte der openSenseMap zeigt alle weltweit installierten Messstationen und erhobenen Umweltdaten. Bild: Patrick Pleiss/senseBox

Treffen Sie die senseBox:

Sonderschau „Open Photonik“, Halle B2, Stand 431, 24. bis 27.06.2019 in München. Bild: Messe München


Über den Autor

Volker Bombien ist Lektor, Autor und Herausgeber. Die Maker Szene ist ihm bestens vertraut, IT-Themen liegen ihm besonders am Herzen. Bis 2015 war er als Lektor beim damaligen O’Reilly Verlag Deutschland verpflichtet. Er hat zahlreiche Bücher initiiert und geschrieben und dabei neue Produktions-Formate ausprobiert. Bei „booksprints“ mit Makern entstand so beispielsweise „Das Calliope-Buch“ (erschienen im dpunkt-Verlag). 2016 gründete Bombien den Bombini Verlag.